Das Ohrenkuss-Team im Gespräch mit Andreas Sentker von der ZEITLogo
12.04.2013

Redaktionsaustausch: Ohrenkuss besucht die ZEIT

Das Ohrenkuss-Heft Nummer 29 hatte das Thema ZEIT. Autor Paul Spitzeck machte kurz nach Erscheinen der Ausgabe an einem Kiosk eine Entdeckung: Es gibt eine wöchentlich erscheinende Zeitung mit demselben Titel.

Nachdem er sie erstanden und gelesen hatte entschied er:
Die Macher der ZEIT sollten unbedingt auch den Ohrenkuss zum Thema kennenlernen.

Also hat er einen Brief dazu formuliert und wir haben unser Heft auf den Post-Weg von Bonn nach Hamburg geschickt.
Die Antwort der Hamburger Kollegen kam prompt:
Wir wurden eingeladen zu einem Redaktions-Besuch.

Den haben wir jetzt angetreten.
Daniel Rauers, Johanna von Schönfeld und Verena Günnel vertraten das Redaktions-Team, in Begleitung von Chef-Redakteurin Katja de Bragança, dem Fotografen Martin Langhost und Redaktions-Assistenz Anne Leichtfuß.
Wir möchten lernen, wie eine andere Zeitung gemacht wird:
Was ist anders? Und was ist genauso?

Ein großer Unterschied: Die ZEIT erscheint einmal pro Woche.
Der Ohrenkuss zweimal im Jahr.
Trotzdem gibt es bei beiden Zeitungen Themen, die mehr Zeit brauchen und welche, über die schnell und knapp berichtet werden muss.

Ohrenküsse haben immer ein einziges Thema, Mode, Sport, Zeit oder Wunder.
In der Zeit gibt es in jeder Ausgabe viele verschiedene Themen, die von 11 unterschiedlichen Ressorts bearbeitet werden – von Fachleuten.
Aber auch hier gibt es immer ein Schwerpunkt-Thema.
In der aktuellen Ausgabe ist es Schule.

Ohrenkuss hat sich auf den Besuch bestens vorbereitet, zu Hause in Bonn und in einem netten Hamburger Café.
Wir haben viel herausgefunden – und sind über viele Fragen gestolpert, die wir vor Ort klären wollten.
Andreas Sentker, Urs Willmann, Harro Albrecht, Inge Kutter, Anja Nieuwenhuizenund Christoph Drösser aus dem Ressort Wissen standen uns Rede und Antwort – und hatten selbst jede Menge Gegenfragen.

Ohrenkuss gibt es seit 15 Jahren.
Seitdem sind 30 Hefte erschienen.
Die ZEIT gibt es seit 1946.
Wie viele Ausgaben es seitdem gab, hat Christoph Drösser auf Nachfrage ausgerechnet.
Es sind mehr als 3.500 Ausgaben.

Ein Punkt, der beide Redaktionen sehr freut ist dieser:
Trotz der schwierigen Situation vieler Zeitungen und Magazine in Deutschland haben sowohl die ZEIT als auch der Ohrenkuss steigende Abonnenten-Zahlen.

Trotz steigender Tendenz: Ein deutlicher Unterschied zwischen Ohrenkuss und der ZEIT ist die Zahl der Abos.
Den Ohrenkuss haben etwa 3.000 Menschen abonniert.
Jede Menge, wie wir finden.
Bei der ZEIT sind es 300.000 Leserinnen und Leser.
Zusammen mit den Heften, die an Kiosken, in Supermärkten oder auf der Straße verkauft werden, sind das eine halbe Millionen verkaufte Hefte jede Woche.
Und jede Zeitung wird im Durchschnitt von mehr als vier Personen gelesen.
Wie viele Personen das bei einem Ohrenkuss-Heft sind, wissen wir nicht.
Wir schätzen aber: 4 sind es bestimmt.

Ein weiterer deutlich sichtbarer Unterschied ist das Format.
Das der ZEIT ist sehr groß.
Man nennt es nordisches Format, und nur etwa ein Dutzend aller Zeitungen in Deutschland ist so groß.
Ohrenkuss ist deutlich kleiner, aber ebenfalls speziell: das schicke Querformat, ein Einfall von Grafikerin Maya Hässig, gibt es seit der ersten Ausgabe.

Beide Zeitungen haben ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Außer der ZEIT gibt es in Deutschland keine andere Zeitung in diesem Format und Umfang, die zu aktuellen Themen berichtet, aber nur einmal pro Woche erscheint.
Die Redakteurinnen und Redakteure haben so die Chance, alle Themen sehr genau und mit viel Leidenschaft zu recherchieren und an ihren Texten zu feilen.
Ohrenkuss findet: Das merkt man.

Die Besonderheit des Ohrenkuss ist die Redaktion selbst.
Auf der ganzen Welt gibt es kein zweites Magazin, in dem ausschließlich Texte von Menschen mit Down Syndrom erscheinen – ohne Korrektur oder Zensur.
Auch die Bilder von Menschen mit Down Syndrom, die in jeder Ausgabe von wechselnden Profi-Fotografen gemacht werden, gibt es in dieser Qualität und Vielzahl in keinem Archiv der Welt.

Warum der Ohrenkuss Ohrenkuss heißt, wissen die Fans längst.
Wer es nicht weiß, kann es hier nachlesen.
Warum die ZEIT ZEIT heißt, hat uns Andreas Sentker erklärt:

Nach dem 2. Weltkrieg war die ZEIT eine der ersten Zeitungen, die in Deutschland gegründet wurden.
Vorbild dafür war die London Times – da lag der Name nah.
Inzwischen ist die ZEIT eines der bekanntesten Presseorgane in Deutschland und hat zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Zur jährlichen Weihnachtsfeier kommen mehr als 400 Personen.
Und auf die Liste der Orte, an denen es Büros der ZEIT gibt, ist vor allem Daniel Rauers ein wenig neidisch.
Er würde am liebsten von New York aus für den Ohrenkuss berichten.
Er gehört zum Bonner Team, genau wie 17 andere Kolleginnen und Kollegen.
Außerdem gibt es insgesamt 109 Fernkorrespondentinnen und -korrespondenten an so spannenden Orten wie Frankfurt am Main, Zürich, Hamburg oder Südtirol.

Was die Redakteure und Redakteurinnen der ZEIT an ihrer Arbeit am meisten mögen, wollten wir wissen.
Spannende Menschen zu treffen und ihnen alle Fragen stellen zu dürfen war eine der Antworten.
Oder auch viele Orte auf der Welt kennenzulernen, Gletscher, Berge, Großstädte oder den Urwald.
Unterwegs sein und zu interessanten Themen zu recherchieren.
Auch das eine Parallele zwischen beiden Redaktionen – während allen Antworten wurde auf der Seite des Ohrenkuss-Teams aufs Heftigste genickt.

Aus der Vielzahl der bereits bearbeiteten Themen fällt es in beiden Redaktionen schwer, sich für das bisher spannendste zu entscheiden.
Wichtig ist allen anwesenden Autorinnen und Autoren: 

Wir lernen immer was dazu.

Die Leserinnen und Leser des Ohrenkuss erfahren mehr über Menschen mit Down Syndrom und ihren Blick auf die Welt.
Die ZEIT-Leserinnen und Leser können sich an Themen aus unterschiedlichsten Fachgebieten erfreuen: zum Beispiel Politik, Medizin, Archäologie oder Geschichte.

Nach dem Erfahrungsaustausch bekam Ohrenkuss noch die Chance, Delia Wilms über die Schulter zu schauen.
Sie erstellt, zusammen mit acht bis zehn Kolleginnen und Kollegen, das Layout jeder Ausgabe.
Gemeinsam mit den 3 Ohrenkuss-Autoren verteilt sie Texte und Bilder der kommenden Ausgabe über mehrere Bildschirme.
Zu welchem Thema verraten wir natürlich nicht – Ehrensache.

Am Ende des Besuches bekam Ohrenkuss noch ein großes Kompliment von Ressort-Leiter Andreas Sentker. 

Eure Texte sind manchmal anspruchsvoller als unsere. Weil ihr euch Gedanken traut, die wir uns nicht trauen.

Ohrenkuss bedankt sich für die Blumen und die Zeit in Hamburg.
Wir haben uns sehr wohl gefühlt.
Es war, wie Johanna von Schönfeld festgestellt hat „erfahrungsvoll“.